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Dunkle Ecken unserer Gefühlswelt

Angélique Mundt im Interview 2013

Interview mit der Autorin Mundt

Frau Mundt, Sie sind Psychotherapeutin und arbeiten ehrenamtlich in der Krisenintervention – wie viel davon fließt in Ihre Kriminalromane?

Sehr viel – allerdings auf eine indirekte Art. Ich bin nahezu täglich mit Leid und Kummer, Sorgen und Nöten, den schwarzen Stunden des Lebens konfrontiert. Ich habe einen Weg gesucht, diese Eindrücke zu verarbeiten, die Gefühle zu sortieren und mich letztlich auch davon zu distanzieren. Schreiben hilft mir dabei! Aber ich schreibe nicht über das, was tatsächlich passiert ist. Ich versuche Worte zu finden für das, was mich berührt und bewegt hat. Über die vermeintlichen Kleinigkeiten am Rande einer Katastrophe. Der Apfel, der aus einer in Panik fallengelassenen Einkaufstüte über die Straße rollt. Der Apfel neben dem Autowrack und dem toten Menschen darunter. Oder über die ehrliche Verzweiflung eines Zwangspatienten, der sich zweihundertmal am Tag die Hände waschen muss, aus Angst, er könne durch bloßen Körperkontakt todbringende Viren verteilen.

Sie verarbeiten Ihre Erfahrungen und Eindrücke beim Schreiben?

Ich bin Psychotherapeutin und ich liebe meinen Beruf. Und ich liebe es, Geschichten zu erzählen. Geschichten die unspektakulär daherkommen und doch einen Blick gewähren in die dunklen Ecken unserer Gefühlswelt, die inneren Konflikte und Zerissenheiten, die unseren langweiligen Alltag bestimmen. Klarheit gibt es selten.
Für mich schließt sich durch die Psychotherapie, die Krisenintervention und das Schreiben der Kreis. Ich liebe Spannung, intensive Gefühle und die wunderbare menschliche Fähigkeit, mit dem Leben zurechtzukommen. Und genau das finde ich in diesen drei Bereichen. Es ist wie eine Einheit. Das Eine geht ohne das Andere nicht halb so gut.

Wie haben Sie sich beim Schreiben motiviert?

Motivieren muss ich mich selten. Wenn eine Geschichte in meinem Kopf wächst, dann will sie auch erzählt werden. Manchmal hardere ich, dass ich viel zu wenig Zeit zum Schreiben habe. Und es gibt die Momente, wo ich genau weiß, was ich sagen will, aber keine geeigneten Worte finde, die mein Gefühl ausdrücken können. Dann schimpfe ich vor mich hin, tigere um den Schreibtisch herum, mache mir einen Milchkaffee und gönne mir ein Franzbrötchen oder Schokolade. Ab und an küsst mich dann die Muse. Und wenn nicht, bin ich wenigstens satt und glücklich.

Man merkt, dass Ihrer Hauptfigur Tessa das Wohl der Patienten sehr am Herzen liegt. Sie ist mit Leib und Seele Therapeutin. Doch genau das bringt sie manchmal in schwierige Situationen. Was mögen Sie an Tessa besonders gern?

Tessa ist schön, klug und alles, was man sich wünschen kann. Doch das hilft ihr nichts. Gar nichts. Sie versucht im Irrsinn der Psychiatrie, ihre Menschlichkeit zu bewahren. Sie wankt auf dem schmalen Grad zwischen Wahnsinn und Normalität, zwischen Schuld und Scham. Sie ist nicht stark, aber sie glaubt stets an das Gute im Menschen. Und das tröstet mich.

Zu guter Letzt: Wie geht es weiter mit Tessa?

Tessa steht vor einer Reihe von wichtigen Entscheidungen. Sie muss sich überlegen, ob sie noch in der Psychiatrie arbeiten kann. Sie wird herausfinden müssen, ob sie auf Torben Koster warten will. Und so viel sei verraten, Tessa hat zwar dazu gelernt, aber trotzdem bringt sie ihr warmes Mitempfinden wieder in große Schwierigkeiten. Sie hat, wie die meisten Menschen, Angst vor den Gefahren, die von außen, aus der Dunkelheit, kommen. Aber was, wenn die Gefahr von innen kommt? Im nächsten Buch begreift Tessa etwas über die Zerbrechlichkeit unserer kleinen heilen Welt.

(Interview zum Erscheinen des Romanerstlings. Copyright: Random House Verlagsgruppe, btb)